Zweimal Ehebruch, zweimal Eifersucht

Jasmina Hadžiahmetović Jasmina Hadžiahmetović © Emanuel Kaser

«Zweimal Ehebruch, zweimal Eifersucht. Aber zwei ganz verschiedene Geschichten ...»

« ... Während die untreue Ehefrau in Leoncavallos Pagliacci sterben muss und dem Ehemann als traurigem Clown Tränen über das theatergeschminkte Gesicht laufen, einigt man sich in Schönbergs Von heute auf morgen auf friedliche Weise und spielt dazu ein bisschen große Oper. Mit je eigener musikalischer Sprache leuchten beide Stücke die großen und kleinen Gefühle der Figuren psychologisch feinfühlig aus und reichen sich über Raum und Zeit die Hand», so Jasmina Hadžiahmetović, Regisseurin und Co-Direktorin Musiktheater, über die beiden Werke im Zuge des Doppelabends.

Zwei intensive Stoffe beschäftigen sich mit Beziehungsfragen und Machtdynamiken zwischen Paaren.

«Was sind moderne Menschen?», mit dieser Frage endet Arnold Schönberg Von heute auf morgen. Der Komponist und seine Librettistin und Ehefrau Gertrud Schönberg (unter dem Pseudonym Max Blonda) schaffen mit dem 1930 uraufgeführten Einakter die erste Oper in Zwölftontechnik und verknüpfen die satirische Frage nach dem gesellschaftlichen Menschenbild jener Zeit mit einer neuartigen Kompositionstechnik. Durch die formale Strenge der Musik wird die zunächst alltägliche, dann zugespitzte Situation eines Ehestreits verfremdet und überhöht. Das Paar, seit mehreren Jahren zusammen und Eltern eines kleinen Sohnes, kommt aus der Oper zurück. Dort sind sie einer kinderlosen Freundin der Frau begegnet, auf deren makelloses Äußeres und kosmopolitischen Charme der Mann mit unverhohlener Begierde reagiert. Die Frau, sonst aufopferungsvolle Ehefrau und Mutter, reagiert, indem sie sich ihrer häuslichen Rolle völlig entzieht, aufreizend kleidet, frisiert und schminkt sowie ihrerseits die Leidenschaft für einen Sänger demonstrativ zur Schau stellt. Die Verwandlung seiner Frau bestürzt den Mann, der sich nur allzu schnell seine verlässliche, sorgende Frau zurückwünscht.

Tragischer verläuft die Handlung in Ruggero Leoncavallos Pagliacci, uraufgeführt 1892. Eine Schaustellertruppe macht Halt im Dorf. Der impulsive Anführer Canio ist zugleich in einer Beziehung mit seiner Kollegin Nedda, die außerdem von Tonio, einem weiteren Schauspieler der fahrenden Gruppe, begehrt wird. Auch Neddas Geliebter Silvio, mit dem sie vor dem gewalttätigen  Canio fliehen will, dringt auf sie ein, den gemeinsamen Plan endlich zu realisieren. Tonio und Canio beobachten das Paar bei ihrem heimlichen Treffen. Abends bei der Vorstellung verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und Wahrheit: In ihrer Commedia spielen Nedda und Tonio ein Liebespaar, Canio ist der betrogene Ehemann. Für ihn wird das Schicksal seiner komödiantischen Figur tragische Realität und das Stück kippt in eine grausame Wirklichkeit.

«Ich freue mich sehr darauf, die emotionale Tiefe und Komplexität der Protagonistin in Schönbergs Von heute auf morgen gemeinsam mit der Regisseurin Jasmina Hadžiahmetović zu erkunden und ihre fesselnde Entwicklung auf der Bühne darzustellen.»

Mojca Erdmann Mojca Erdmann © FBroede

Beide Stoffe thematisieren Verrat in der Ehe und stellen dabei die Situation der Frau in den Mittelpunkt. Während in Pagliacci Nedda als von allen Seiten unter Druck gesetzte Frau gezeigt wird, die schlussendlich unter dem Deckmantel einer Theateraufführung für ihren Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung mit dem Leben bezahlen muss, während der vermeintliche Besitzanspruch Canios und dessen Schmerz ihn einen Femizid begehen lassen, bleibt die große Tragik in Von heute auf morgen aus. Doch auch hier ist die Theaterform ein Deckmantel unter dem eine schmerzhafte Realität liegt: Unter der Genrebezeichnung einer heiteren Komödie, satirisch überzeichnet, finden tiefe Verletzungen zwischen den beiden Ehepartnern statt. Was bleibt, ist die Leerstelle einer gesunden, gleichberechtigten Beziehung und die Frage danach, zu welcher Zeit die Gesellschaft einer konstruktiven Form der Liebe am nächsten war.