Liebesglück und Liebesleid

Die gefeierte Cellistin Julia Hagen interpretiert Elgars berührendes Cellokonzert. Die gefeierte Cellistin Julia Hagen interpretiert Elgars berührendes Cellokonzert. © Simon Pauly

Die Liebe in all ihren beglückenden wie bedrückenden Ausprägungen zieht sich durch die neue Tiroler Landestheatersaison. Auch im Programm des 5. Symphoniekonzerts dreht sich alles um die Facetten der Liebe und des Lebens, von der Freude bis zur Trauer.

Vom Leid …


Angefangen mit Ausschnitten aus Richard Wagners Oper Tristan und Isolde, die von Sehnsucht und Momenten des Glücks sowie der Qual der Liebe und endgültiger Trennung handelt. Auf diese Revolution der musikalischen Harmonik und Transzendenz der Liebe in einem folgt ein Werk von tiefer Traurigkeit und berückender Schönheit: Das Cellokonzert von Edward Elgar. Das hochemotionale und zutiefst ergreifende Werk entstand in einer Zeit, die für den Komponisten nicht nur von der Trauer nach dem Ersten Weltkrieg geprägt war, sondern auch von der Krankheit seiner geliebten Ehefrau und schließlich deren Verlust im Jahr 1920, der ihn als Komponist verstummen ließ. Im Sommer 1919 geschrieben, blieb das Konzert sein letztes großes Werk, eine Art Schwanengesang. In Innsbruck wird sich die junge, hoch prämierte Salzburgerin Julia Hagen, die mit ihrem pulsierenden und gleichzeitig innigen Cellospiel mittlerweile weltweit die Herzen der Hörer:innen erobert, dem berührenden romantischen Werk hingeben.

«Johannes kam heute Abend und spielte mir den ersten Satz seiner zweiten Symphonie D-Dur vor, der mich hoch entzückte»

… zum Glück


Als Gegenpol dazu kann man die zweite Sinfonie von Johannes Brahms bezeichnen. Sie kam nach seiner pathetischen ersten, um deren Fertigstellung er lange gerungen hatte, überraschend optimistisch und unbeschwert daher. Entstanden ist das Werk hauptsächlich während seines Sommerurlaubs 1877 in Pörtschach am Wörthersee, wo der Komponist geradezu beglückt zu sein schien: «Hier – ja hier ist es allerliebst, See, Wald, ’drüber blauer Berge Bogen, schimmernd weiß in reinem Schnee». Und auch den ersten Hörer:innen wie etwa einem Bekannten von Brahms’ Verleger blieb die heitere, pastorale Grundstimmung nicht verborgen: «Leben und Kraft sprudelt überall, dabei Gemütstiefe und Lieblichkeit. Das kann man nur auf dem Lande, mitten in der Natur, komponieren.» Am Ende des ersten Satzes klingt kurz das Lied «Es liebt sich so lieblich im Lenze» an. Ob das Zitat etwas mit Clara Schumann, zu jener Zeit Witwe von Robert Schumann zu tun hatte? Brahms besuchte Clara jedenfalls gleich im Herbst 1877: «Johannes kam heute Abend und spielte mir den ersten Satz seiner zweiten Symphonie D-Dur vor, der mich hoch entzückte», schrieb sie in ihr Tagebuch.

Der belgische Dirigent Martijn Dendievel leitet das 5. Symphoniekonzert. © Clara Evens

Geschichtenerzähler am Pult

In die musikalischen Höhen und Tiefen der Liebe begibt sich gemeinsam mit dem TSOI der belgische Dirigent Martijn Dendievel, der zurzeit Associate Conductor beim Symfonieorkest Vlaanderen sowie Chefdirigent der Hofer Symphoniker ist. 2021 wurde er mit dem Deutschen Dirigentenpreis ausgezeichnet, gewann die Conductors’ Academy des Tonhalle-Orchesters Zürich und stand im Finale der renommierten Donatella Flick Conducting Competition in London; im Juni 2022 ging er als Preisträger der ersten International Conducting Competition Rotterdam hervor. Seine Ziele beim Dirigieren: «Eine Geschichte erzählen, dem Publikum orchestrale Farben zeigen, die man nur live und in diesem Moment wahrnehmen kann, sowie bis an die Grenzen gehen, um die Botschaft des Komponisten zu transportieren.»

 

TEXT Johanna Muschong