«Es ist ein energetisches Feuerwerk»

28.2.2025 / blog / Rausch
Iliano Tomasetto, Franklin Jones da Silva Santos / Celestial Fractures Iliano Tomasetto, Franklin Jones da Silva Santos / Celestial Fractures © Birgit Gufler

Seit einigen Wochen erklingt Ravels feuriger Boléro aus demBallettsaal des Tiroler Landestheaters. Die Gast-Probenleiterin Laura Fernández Castelló aus Spanien studiert das 2016 entstandene Stück des Choreografen Ihsan Rustem mit dem Tanzensemble ein. Rie Akiyama als Proben- und Trainingsleiterin am TLT und Teammitglied der Tanzleitung ist im Ballettsaal täglich an ihrer Seite.

Insgesamt bleiben nicht mehr als knapp drei Wochen, den Boléro für Innsbruck bühnenfertig zu machen. Rustems Erfolgsstück markiert das Finale des dreiteiligen Tanzabends mit dem Übertitel Rausch. Davor sind die Stücke Unfamiliar Connections von Francesca Frassinelli und Celestial Fractures von Julian Nicosia zu sehen, die bereits mit dem Ensemble einstudiert wurden. Einige Fragen an Rie Akiyama und Laura Fernández Castelló, unsere Proben-Expertinnen im Ballettsaal:

Laura, wie gehst du bei der Einstudierung eines Stücks mit einem neuen Ensemble vor?

Laura Fernández Castelló Erstmal muss ich herausfinden, wie die Tänzer:innen hier funktionieren, wie an diesem Theater gearbeitet wird. Dann muss ich sie für mich gewinnen – das ist für eine gute Zusammenarbeit sehr wichtig. Dann geht es erstmal darum, ihnen das ganze Schrittmaterial beizubringen – das ich natürlich in der Vorbereitung auch nochmal ganz genau studieren muss – und wenn das Ensemble sich in der Choreografie und Interpretation sicherer fühlt, arbeite ich intensiv an der Sauberkeit der Bewegungen und der Synchronität bis hin zur Perfektion. In den letzten zwei Wochen vor der Premiere ist dann Ihsan Rustem selbst anwesend, um dem Stück noch den letzten Schliff aus
seiner choreografischen Sicht zu verleihen.

Was erwartet das Publikum in «Boléro»?

Laura Fernández Castelló Es ist ein energetisches Feuerwerk. Und es kommt aus Erfahrung immer zu einem Überraschungseffekt, weil das Publikum ein anderes Szenario vorgesetzt bekommt, als möglicherweise von diesem Klassiker erwartet wird.

Rie Akiyama Da ist zum einen natürlich die ikonische Musik, zum anderen liebe ich die körperliche Anmut, die Bewegungsqualität, die Energie. Das Stück ist sehr herausfordernd für die Tänzer:innen, aber auch sehr, sehr kraftvoll.

Laura Fernández Castelló © Privat

Laura, was ist dein Lieblingsmoment in «Boléro»?

Laura Fernández Castelló Meine Lieblingsmomente in Boléro sind alle jene, in denen die Tänzer:innen persönliche Beziehungen zueinander haben. Es gibt auch tolle Gruppenszenen, aber die intimen Momente, die Begegnungen zu zweit, sind für mich die aufregendsten. Denn die Liebe spielt in Ihsan Rustems Version eine zentrale Rolle. Wir sehen verschiedene Paare in unterschiedlichen Konstellationen und jedes von ihnen hat eine andere Geschichte zu erzählen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine rein freundschaftliche, familiäre oder eine Paarbeziehung handelt. Die Rosen, die im Stück immer wieder auftauchen, könnten für die Art stehen, wie man Liebe ausdrückt, oder was eine Rose für ein Liebespaar bedeutet. Oder vielleicht ist eine Rose einfach eine Person.

Rie, was sind Vorteile und Herausforderungen eines dreiteiligen Abends mit unterschiedlichen Choreograf:innen?

Rie Akiyama Der Vorteil ist sicherlich, dass man drei sehr verschiedene choreografische Stile an einem Abend zu sehen bekommt. Die Tänzer:innen bleiben dabei jedoch dieselben, das heißt, wir sehen ihre Transformation von Stück zu Stück. Während der Proben erhalten sie viele technische und künstlerische Inputs, die sie sofort umsetzen müssen, das ist körperlich wie kognitiv eine Herausforderung. Aber wenn dann alles bereit ist und das Publikum im Saal sitzt, dann macht es den Tänzer:innen bestimmt Spaß, gerade, weil es so ein abwechslungsreicher Abend ist. Für den Prozess ist eine brillante Organisation zwingend erforderlich. Zuerst auf dem Papier und dann auch im Ballettsaal sowie auf der Bühne. Effektives Zeitmanagement, die richtige Koordination sind unverzichtbar – schließlich haben wir eine sehr limitierte Probenzeit und dazu kommen abends zahlreiche Vorstellungen bereits laufender Tanzstücke. Die Muskeln und Köpfe der Tänzer:innen müssen sich also konstant auf unterschiedliche Tanzstile einstellen.

Rie Akiyama © Maria Kirchner

Rie, was sind deine Aufgaben, wenn wir Gäste haben, die mit den Tänzer:innen ein Stück einstudieren?

Rie Akiyama Choreograf:innen oder choreografische Assistent:innen sind ja immer nur bis zur Premiere eines Stücks da. Für all die folgenden Vorstellungen habe ich die Verantwortung, die Qualität einer Produktion zu halten oder im besten Fall mit zunehmender Aufführungsroutine und nach der oft hektischen Zeit vor einer Premiere sogar noch zu verbessern. Während der Proben verinnerliche ich die Choreografie und höre genau hin, was inhaltlich vermittelt wird. Ich merke mir Dinge, die gesagt werden – und manchmal auch Dinge, die nicht gesagt, sondern über Bewegung transportiert werden, damit ich sie später, wenn die Choreografie sitzt, zusammen mit den Tänzer:innen integrieren bzw. bei ihnen in Erinnerung rufen kann. Es ist mir wichtig, die Kreationen der Choreograf:innen bis zur letzten Vorstellung in ihrem Sinne weiterleben zu lassen und das Ensemble dabei zu unterstützen. Das ist ein zentraler Aspekt meiner Tätigkeit.

FRAGEN Stefan Späti