Die Requisite

Kunstschnee, Vorderlader, essbare Torten … Anlässlich der Vorbereitungen zu Eugen Onegin besucht Musiktheaterdramaturgin Diana Merkel den Abteilungsvorstand der Requisite Philipp Baumgartner und spricht mit ihm über die Aufgaben und Abläufe der Abteilung sowie über die Besonderheiten der Tschaikowski-Oper.
Wofür bist du mit deinem Team in der Requisite alles zuständig und wie seid ihr personell aufgestellt?
Philipp Baumgartner In unseren Aufgabenbereich fällt alles, was die Darstellerinnen und Darsteller auf der Bühne in der Hand haben, von Geschirr bis Zahnbürsten zu diversen Spezialeffekten. Insgesamt sind wir sieben. Meine Philosophie ist, dass möglichst jedes Handwerk bei uns vertreten ist. Und wir alle müssen immer auch über den Tellerrand schauen und um die Ecke denken, wie man Dinge, die gewünscht sind, kostengünstig mit eigenen Methoden herstellen kann. Dabei ist auch wichtig, dass sie über diverse Endproben und Vorstellungen hinweg funktionieren. Eben Theater und nicht Film.
«Eigentlich denke ich den ganzen Tag lang automatisch an Requisiten. Eine Berufskrankheit.»
An welche ganz speziellen Requisiten kannst du dich erinnern?
Eigentlich denke ich den ganzen Tag lang automatisch an Requisiten. Eine Berufskrankheit. Selbst wenn ich privat zu Hause bin und ein Wasserglas in der Hand halte, denke ich z. B. über die Füllhöhe nach. Ganz speziell war aber u. a. für Die Perlenfischer eine Fabrik mit drei Geschossen, mit vielen brennenden Fenstern und einem riesigen Feuer, welches einen Scheiterhaufen darstellen sollte sowie der extrem knappe Sicherheitsabstand zu den Darsteller:innen. Eine heiße Angelegenheit.

Wo findet ihr eure Requisiten?
Zum einen gibt es unseren Fundus, in dem viel lagernd ist. Darüber hinaus suchen wir auf Trödelmärkten oder auf Gebrauchtwarenseiten wie willhaben. Für spezielle Dinge gibt es ein Netzwerk zu Händler:innen und Kontaktpersonen, das man über Jahre aufbaut.
Welche Requisiten kommen bei «Eugen Onegin» zum Einsatz?
Eine zentrale Szene der Oper ist ja das Duell zwischen Onegin und Lenski. Dafür präparieren wir die Schusswaffen, das geht auf zweierlei Arten: Entweder mit Effektmunition und Blitzwatte für den Effekt. Alternativ geht es auch mit einem Zündhütchen. Da besteht allerdings die Gefahr, dass die Waffe nicht losgeht. Bei Onegin schießen wir daher sicherheitshalber von der Seite mit einem Schreckschussrevolver, damit der Knall stimmt. Knifflig ist auch die Torte, die beim Festbankett verspeist werden soll. Damit sie etwas hermacht, fertigen wir einen großen Unterbau an. Den Teil, der verspeist wird, konstruieren wir dann aus Versatzstücken von TK-Torten selbst für jede Vorstellung. Dafür haben wir hier im Theater eine voll ausgestattete Requisitenküche, damit alles hygienisch ist.

Zwei Besonderheiten sind mir noch auf der Requisitenliste aufgefallen: Schnee und Crashglas. Wie funktioniert das jeweils?
Der Schnee ist ein spezielles Produkt für Film und Theater, sogenannter Hollywood-Schnee. Der wird aus einer schwer entflammbaren Rohmasse hergestellt, die dann da wie Parmesan gehobelt wird. Das Crashglas besteht in erster Linie aus einer geheimen Rezeptur. Früher bestand das Crashglas hauptsächlich aus Zucker. Vor 25 Jahren, als ich hier anfing, haben die Kolleg:innen berichtet, wie sie damals noch richtig geschwitzt haben bei der Herstellung des Crashglases. Nicht selten wurde es zu milchig, fahl oder gar zu brüchig. Inzwischen kaufen wir das auch ein, da der Händler unseres Vertrauens eine Topqualität anbietet, welche auf den Bühnen der ganzen Welt zum Einsatz kommt.
Wie ist euer Arbeitsprozess von Vorbereitung und Durchführung einer Produktion?
Wir starten mit einer Vorbesprechung mit dem Regieteam, da geht es neben Wünschen auch ums Budget. Später ist dann die Bauprobe, da konkretisieren sich die Bedürfnisse und die Kostenschätzung nochmal. Dann beginnen Recherche und Anfertigung. In den Endproben betreuen wir die Einrichtung der Requisiten und proben die Abläufe mit. Wir unterstützen uns gegenseitig mit den Kolleg:innen von der Technik sowie den Künstler:innen. Jedes Rädchen ist im «Uhrwerk Theater» wichtig. Nur so funktioniert es. Das macht dann richtig Spaß.
FRAGEN Diana Merkel
BILDER Raphael Gutleben