Wer repräsentiert denn eigentlich hier wen?

   Blogbeitrag

Eine international besetzte Konferenz, zu der niemand anreist, und die – bitte nicht schon wieder – nicht nur digital stattfinden soll. Dabei übernimmt das Publikum die Zügel am Tiroler Landestheater.

Hier ein Vorschlag: Die Referent:innen übergeben ihre Vorträge einfach denen, die da sind und die nicht von weit her anreisen müssen: Den Menschen aus der Stadt, in der diese Konferenz der Abwesenden stattfindet.

Das TLT freut sich sehr, dass das renommierte Regie- und Autorenteam Rimini Protokoll zusammen mit dem Publikum genau dieses Experiment auch in Innsbruck wagt und das erste Mal ans Tiroler Landestheater kommt. Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel haben im Jahr 2000 das Theater-Label Rimini Protokoll gegründet und arbeiten seither in verschiedenen Konstellationen unter diesem Namen. Stück für Stück erweitern sie die Mittel des Theaters, um neue Perspektiven auf die Wirklichkeit zu schaffen. Rimini Protokoll entwickeln ihre Bühnenstücke, Interventionen, szenischen Installationen und Hörspiele oft mit Expert:innen, die ihr Wissen und Können jenseits des Theaters erprobt haben. Außerdem übersetzen sie gerne Räume oder soziale Ordnungen in theatrale Formate. Viele ihrer Arbeiten zeichnen sich durch Interaktivität und einen spielerischen Umgang mit Technik aus.

«Ich grüße alle anwesenden
Teilnehmer:innen der Konferenz
der Abwesenden.»

Konferenz der Abwesenden

Gibt es einen geeigneteren Ort für eine solche Versuchsanordnung als das Theater? Alles, was es dazu braucht: Eine Art Spielanleitung, die vorbereiteten Konferenzbeiträge und die technische Unterstützung vor Ort. Und natürlich Sie – als die Zuschauer:innen.

Auf diese Weise finden die vielfältigen Biografien, Geschichten, Gedanken und Positionen all jener, die selbst nicht dabei sein können, jeden Abend neue Körper. Aus dem Umstand, nicht hier sein zu können oder auch zu müssen, entwickelt sich ein gemeinsames Spiel zwischen dem Publikum und den Menschen, die zu Träger:innen von Ideen, Biografien und Gedanken der Expert:innen werden.

video - Titelbild
Anwesende schlüpfen in die Rollen der Abwesenden, Foto: Sebastian Hoppe

Inmitten der Abwesenheit entsteht Raum für neue Einschreibungen und ungeahnte Perspektiven: Ein erfrischender Theaterzauber für alle, sowohl mit dem Blick vom Publikumsraum oder als Mitwirkende von der Bühne aus.

Und gleichzeitig ist die Abwesenheit selbst das Thema: Was sind verschiedene Formen der Abwesenheit? Wo und wann sind wir abwesend? Was macht die Abwesenheit mit uns? Wann ist Abwesenheit ein Fluch und wann vielleicht ein Segen? Mit dem Beginn der Konferenz der Abwesenden zeichnet sich ein doppeltes Spiel ab, das Kreise zieht:

Die Anwesenden schlüpfen in die Rolle der Abwesenden, die dadurch präsent werden. Anders als bei üblichen Stücken bestimmt hier niemand die Besetzung. Die Frage, wer wen an diesem Abend, in dieser Aufführung und an diesem Ort (re-)präsentiert, bleibt nicht zuletzt jedes Mal ein Glücksspiel. Die mögliche Wahrnehmung von Unterschieden und die Abstraktion von Gemeinsamkeiten beginnt mit jeder Aufführung aufs Neue. Und es geschieht noch mehr: Wir blicken auf die Bühne, auf eine Person aus unserer Mitte, um von ihr eine Geschichte zu hören, die nicht die ihre ist, die sie aber für einen Moment spielerisch übernimmt.

Aber wie wird unsere Wahrnehmung durch die Person, die spricht, beeinflusst – durch ihr Aussehen, ihre Stimme, ihren Auftritt? Und wie verändert sich unsere Wahrnehmung einer Person durch das, was sie sagt? Und was bedeutet Repräsentation selbst – die eigene Stimme und Präsenz, das «Durch-sich-sprechen-Lassen» – für die Vertreter:innen?

Konferenz der Abwesenden kann sogar gleichzeitig an mehreren Orten stattfinden und landete bereits als großer Publikumshit in Brüssel, Belgrad, Madrid, Rom, Istanbul, Venedig, Prag, Seoul, Mexiko City, Santiago de Chile, Berlin und Hamburg.

Und jetzt laden wir Sie hier in Innsbruck ein, es selbst auszuprobieren. Gibt es Freiwillige?


KONFERENZ DER ABWESENDEN

Ein dokumentarisches Spiel von Rimini Protokoll

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© Lisa Edi

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